Ein Leben mit Borderline – warum und wofür dieser Blog

2007 hatte ich bereits meinen ersten Blog erstellt. Anfangs noch ziemlich orientierungslos und irgendwann ging es mehr in die Richtung Buch Blog. Vor längerer Zeit musste ich leider den alten Blog aufgeben und habe mir einen neuen erstellt. Mittlerweile schreibe ich jedoch kaum noch über Bücher, sondern habe mich für das Hauptthema Borderline entschieden.

Bei der Borderline-Störung  handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung, die durch Impulsivität und Instabilität von Emotionen und Stimmung, der Identität sowie zwischenmenschlichen Beziehungen charakterisiert ist. Es handelt sich um ein schwerwiegendes psychiatrisches Krankheitsbild, das auch als emotional instabile Persönlichkeitsstörung des Borderline-Typs bezeichnet wird.

https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/borderline-stoerung/

Heute möchte ich einmal erklären, warum ich das tue und was ich damit bezwecken will.
Viele Menschen sind leider immer noch im Glauben, Borderline sei eine „Mode Krankheit“ und manche denken sogar, dass Borderliner mit ihrem Verhalten einfach Aufmerksamkeit suchen. So u.a. auch meine Erfahrung.
Ich schreibe hier nichts, damit ich Aufmerksamkeit bekomme, ich möchte erklären und von meinem eigenen Leben mit Borderline berichten. Ich wünsche mir, dass die Menschen der Krankheit mehr Respekt gegenüber bringen und einfach verstehen.

Mein Leben ist meistens schwarz oder weiß. Es gibt unglaublich tolle Hochgefühle, aber in wenigen Momenten später kann ich sehr tief fallen. Stellt euch das wie eine Achterbahnfahrt vor. Je höher ich gerade angekommen bin, umso heftiger ist der Schub nach unten. Habe ich zusätzlichen Ballast bei mir, gestaltet sich die Fahrt nach unten schneller und der Aufprall ist umso heftiger. Ebenso dauert es aber auch, bis ich wieder oben ankomme.
Manchmal fühlt es sich an, als müsste ich da einfach alleine durch, damit mein Leben etwas erträglicher wird.

Es gibt Tage, da läuft einfach immer alles glatt. Ich fühle mich wohl und könnte vor Glück die ganze Welt umarmen. Als Borderliner fühlt man extremer, als „normale Menschen“, ohne diese Störung. Wenn ich z.B. einen Sonnenuntergang sehe, fühle ich mich glücklich und manchmal sogar so intensiv, dass ich es selbst fast ertragen kann. In meinem Körper spannt sich alles an und ich starte mit Schutzfunktionen. Ich stelle meine Gefühle aus, weil ich Angst bekomme und im schlimmsten Fall mich selbst verletze.
Fällt mir meine Lieblingstasse runter oder ein geliebter Gegenstand funktioniert nicht mehr (und sei es nur ein schönes Feuerzeug) geht für mich die Welt unter. Es ist schlimm für mich und diese Traurigkeit lässt enormen Druck in mir wachsen. Den ich nicht ertragen kann. Und im schlimmsten Fall verletze ich mich selbst.
Wenn ich soziale Kontakte habe, bin ich von Grund auf skeptisch. Ich möchte vermeiden, neue Freunde zu finden, obwohl ich sie mir so sehr wünsche. Aber ich habe Angst verletzt und enttäuscht zu werden und dann wieder mit Schmerzen kämpfen zu müssen. Ich melde mich selten bis gar nicht bei Freunden (es gibt aber auch Ausnahmen). Die meisten wissen es und akzeptieren es. Sie melden sich bei mir. Ich habe Angst mich im falschen Moment zu melden und zu stören oder zu nerven. Ich kann diese Angst nicht ablegen. Wenn jemand sauer ist, beziehe ich das fast immer auf mich selbst, wenn sie nicht direkt erklären warum. Ich habe dann oft das Gefühl, wieder etwas falsch gemacht zu haben und wenn ich den Grund nicht weiß, wird es zügig schlimmer. Und im schlimmsten Fall verletze ich mich selbst.

Das Alles ist für mich völlig normaler Alltag und ich lebe damit 24 Stunden, 7 Tage die Woche. Ausnahmslos. Und ich kann das ertragen, weil ich gelernt habe, damit umzugehen. Ich wende diverse Skills an und lenke mich ab. Ja, manchmal muss ich auch stundenlang am Stück beschäftigt sein. Mir reicht es leider nicht mehr, einfach ein Buch zu lesen oder eine Serie zu schauen. Konzentration gleich null. Es ist schlimm geworden, aber auch damit komme ich irgendwie klar.

Ich würde behaupten, dass ich mein Leben relativ gut im Griff habe und viele Situationen gut meistern kann. Ja, ich habe nach wie vor große Probleme mit Ärzten, da auch hier wieder die Angst dominiert und ich es nicht ertragen kann, zu lange in einem Wartezimmer zu sitzen oder manchmal auch alleine mit dem Bus zu fahren.

Seitdem ich auf diesem Blog über das Thema schreibe und sei es auch nur ein Beitrag mit Gedankengängen, fühle ich mich freier.
Ich habe einen Ort, an dem ich meine Sorgen und Probleme lassen kann und manchmal ist es so, als würde ich Ballast ablegen können. Ich schreibe alles öffentlich. Ja. Es sind oft unschöne und verletzende Themen. Ja. Aber es ist alles die Wahrheit und es muss aus mir raus.
Ich war schon immer sehr konsequent und ehrlich. Das bewunderte damals auch immer unsere alte Sachbearbeiterin vom Jugendamt. Ich sagte einfach die Wahrheit, auch dann, wenn ich mich selbst belastete. Ich finde es sehr schade, dass sie nicht mehr da ist. Ich glaube, dann wäre vieles nicht so gekommen, wie es heute ist.

Konnte ich bisher mit diesem Blog eigentlich irgendetwas erreichen?
Nö. Außer, dass mich noch mehr Menschen verurteilen oder hassen oder belächeln. Aber ich mache trotzdem weiter und nehme weiterhin kein Blatt vor dem Mund. Hier geht es um Dinge, die gesagt werden müssen. Wem irgendetwas hier nicht passt, der soll einfach nicht lesen, was hier steht. So einfach ist das.
Denn diese Menschen möchte ich überhaupt nicht erreichen und sie sind mir egal. Ich wünsche mir Leser, die mich und vor allem meine Krankheit zu schätzen wissen und nicht verurteilen.
Borderliner sein bringt nicht nur Nachteile mit sich. Ich hasse diese Krankheit, aber ich will auch nicht mehr ohne sie leben!

Kreativität, hoch sensibel, starkes Einfühlungsvermögen, Achtsamkeit und auch manchmal das extreme Fühlen habe ich dieser Krankheit zu verdanken.
Natürlich hasse ich auch öfters besonders das starke Fühlen. Denn ich fühle nicht nur meine Gefühle, sondern auch die meines Gegenübers. Stellt euch dies wie ein Staubsauger vor. Ich bin gleichzeitig glücklich, traurig und wütend und logischerweise damit überfordert. Aber ich kann es mir nicht mehr vorstellen, ohne diesen Laster zu leben.
Ja, ich bin damit zufrieden. Ob ihr es glaubt, oder nicht.

Das einzige, was ich wirklich hasse und los werden will, sind meine Ängste. Denn diese behindern mich im normalen Alltag enorm. Ich kann nicht arbeiten, weil ich Angst vor Menschen habe. Nicht vor alle. Es sind bestimmte „Arten“ von Menschen. Oft sind es Teenager, Kinder oder diverse Frauen.
Manchmal denke ich, wenn diese Angst einfach weg wäre, hätte ich das beste Leben. Mir würden viele Türen offen stehen. Alleine komme ich da aber nicht raus und ich habe niemanden an meiner Seite, der diesen Weg mit mir geht.

Ja, ich bin verheiratet seit fast 18 Jahren und führe mit diesen Mann eine Beziehung seit bald 21 Jahren. Es ist mit Sicherheit nicht immer einfach für ihn und ich würde ihn niemals verurteilen, wenn er mich verlassen würde. Gerade aktuell steht wieder einiges auf der Kippe wegen der aktuellen Situation.
Aber aus irgendeinem Grund bleibt es bei mir. Liebe? Vielleicht. Aber ich selbst kann ihm diese Liebe nicht so zeigen, wie es sein sollte. Das weiß er auch. Und scheinbar akzeptiert er es.
Wir reden selten über meine Krankheit. Ich finde es etwas schade, dass er sich nicht richtig damit befasst und mich nicht unterstützt. Aber ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, ob ich überhaupt das Recht habe, dies zu verlangen.

Es gibt immer wieder Phasen in meinem Leben, in denen ich nicht weiß, ob ich glücklich bin und weiterleben möchte. Sehr oft habe ich das Gefühl, nichts erreicht zu haben. Ich bin jetzt 40 Jahre alt. Ich habe drei Kinder zur Welt gebracht, wovon eins gestorben ist und zwei dauerhaft untergebracht sind. Ich habe mein Sorgerecht verloren und eins der Kinder scheint mich wirklich zu hassen. Ich habe keine Ausbildung, ich habe Schulden und ich kann nicht arbeiten, um eigenes Geld zu verdienen. Ich bin abhängig von meinem Mann und habe meine sozialen Kontakte nur online.
Was ist das für ein Leben? Möchte ich es beenden? Nein!
Doch dann denke ich immer, dass es vielleicht gesünder wäre, eine stationäre Therapie zu machen mit Anschluss an eine Reha. Aber wie bereits erwähnt, ich schaffe die ersten Schritte nicht alleine und wenn mich dabei niemand unterstützt, muss ich so weiterleben. Ich brauche jemanden, der mich zu diesen Terminen begleitet und an meiner Seite steht. Eine Person, der ich vertrauen kann.
Ich hatte nun mehrmals in der LWL Herten angerufen und wollte Termine haben. Aber ich bekomme keinen und müsste morgens um 08 Uhr in der Notfallsprechstunde sein. Ich schaff das nicht. Ich müsste eine Stunde mit dem Bus fahren und dort eine ungewisse Wartezeit absitzen. Ich kann weder das eine, noch das andere.

Es fühlt sich an, wie ein Fluch. Und ich werde ihn nie los. Also habe ich ihn lieben lernen müssen.

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