Ich bin dann mal weg …

Ich war gerade dabei, mein Leben anzupacken. Ich wechselte die Ärzte und irgendwie ging es nur noch bergauf. Natürlich kämpfe ich weiterhin seit Monaten Tag für Tag mit Schmerzen, aber ich habe die Zähne zusammengebissen, weitergemacht und es hat irgendwie funktioniert. Vor allem war ich so motiviert. Wenn man mal überlegt, ich renne seit über vier Jahre mit Schmerzen zu Ärzten und niemand findet die Ursache. Auf einmal wechsle ich und zack … Problem erkannt. Ich war so happy.
Ein Umzug stand an. Für meinen Mann winkte ein Jobangebot, was uns vieles erleichtert hätte. Er hätte mehr verdient und das wichtige, er hätte keine Schichten mehr machen müssen. Er wäre nachmittags wieder zu Hause. Okay, dafür hätten wir ca 300 km wegziehen müssen, aber in Marl hält uns sowieso nichts mehr.
Wir meldeten das der Wohngruppe, so wie dem Jugendamt und baten um eine Rückführung mit Pia. Immerhin waren wir seit Jahren im Leistungsbereich und mein Leben hatte ich mittlerweile gut im Griff.
Und dann kam der Knall …

Das Jugendamt fand die Idee überhaupt nicht gut. Sie sagten, ich wäre emotional nicht fähig, mich um meine Kinder zu kümmern. Und im Nullkommanichts war ich vom Leistungsbereich in den Gefährdungsbereich gerutscht. Nun hatte ich sämtliche Rechte verloren. Und wenn es nach denen gegangen wäre, hätte mein Mann sogar seine Arbeit gekündigt, zurück ins Harz 4, nur damit er den ganzen Tag zu Hause ist. Und das ist nicht gelogen oder übertrieben.
Das riss nicht nur mir den Boden unter die Füße weg, sondern auch Pia. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber es folgte so viel Druck, Ärger, Stress und jeden verdammten Tag stand ich nur noch auf, um zu funktionieren. Ich konnte mich nicht mehr um mich selbst kümmern, weil das Jugendamt mir nahezu tagtäglich Ärger machte. Sie wollten – bzw wollen – mir sogar ein betreutes wohnen aufbrummen. Und ich muss es annehmen.

Und der Knall wurde lauter. Und dann fiel ich.
Gestern war ich bei einer weiteren neuen Ärztin. Neurologin und Psychiater. Ich heulte mich bei ihr aus. Ob ich Selbstmordgedanken habe, fragte sie. Ich zuckte mit den Schultern. Eigentlich hatte ich immer Angst vor dem Tod, aber jetzt wäre es mir egal. Ich habe an nichts mehr Freude. Ich habe permanent Kopfschmerzen. Meine Hände tun so weh. Und ich bin nur noch am machen, am tun, am rennen. Am Montag wollte ich in die Borderline Notfall-Sprechstunde. Aber ich konnte nicht, weil ich wieder einmal zu Hause bleiben musste, weil ich auf einen Anruf warten musste. Der übrigens nicht kam.
Ich habe den Spaß am Leben verloren und fühlte mich noch nie so leer und kraftlos, wie jetzt.

Ich habe eine Notfalleinweisung bekommen.
Zurück in die Klinik. Ich weiß nicht, was mich erwartet, aber es kann nicht schlimmer werden. Natürlich habe ich Angst, aber irgendwie ist mir auch das egal.

Heute Nachmittag geht es los. Ich muss halt warten, bis mein Mann halbwegs ausgeschlafen hat, damit er mich mit dem Bus bringen kann. Danach wird er vermutlich sofort wieder los zur Arbeit müssen? Ich fühle mich natürlich schlecht deswegen, aber ich habe leider niemand anderen, der mich fahren kann.
Meine Mutter … ich weiß nicht. Sie meinte eh, dass sie keine Zeit hat. Aber sie hat für sowas auch kein Verständnis und beim letzten Mal lieferte sie mich nur ab und verschwand. Das tat weh und war nicht schön.

Also gut …
Wünscht mir Glück, dass ich das diesmal durchhalten kann und es danach endlich besser wird.
Ich will Pia nach Hause haben. Und ich will wieder normal leben.

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