Wenn die Angst deinen Alltag bestimmt

Ich hatte damals bereits einen sehr ausführlichen Beitrag über das Thema Angst geschrieben. Auch dieser ist leider weg, nachdem ich meinen alten Blog verloren habe. Ich finde dieses Thema jedoch wichtig und möchte heute noch einmal darüber schreiben.

Für viele ist Angst nichts Großes. Aber ich habe Soziophobie und leide neben einer schweren Depression noch unter Panikattacken. Mich beherrscht die Angst und sie bestimmt meinen Alltag. Sprüche, wie „Stell dich nicht so an“ oder „Es kann doch nichts passieren“, höre ich zu genüge. Leider bringen sie aber nichts.

Wie ist es und wie fühlt es sich an, wenn die Angst so viel Macht besitzt?

Ich weiß nicht, wann es angefangen hat und was das Ausschlaggebende war. Allerdings war es nicht immer so. Ich war wohl schon immer etwas zurückhaltend, etwas schüchtern und vorsichtig bei neuen Menschen, aber wenn ich heute Fremden gegenüberstehe, artet das schon mal in Panik aus. Einfach so und ich kann es nicht erklären. Es ist immer die Angst, was sie von mir denken. Die Angst, dass sie innerlich über mich lachen. Die Angst, dass sie sehen, wie fett ich bin. Die Angst, dass ich mich vor ihnen ungeschickt anstelle. Die Angst, dass sie die hässlichen Flecken in meinem Gesicht sehen. Die Angst, … sie wächst und sie hört nicht auf.
Sind das die Ergebnisse eines Mobbing Opfers? Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Viele verstehen so etwas nicht. Es gibt Tage, an denen ist tatsächlich alles gut. Ich kann einkaufen, wenn mein Mann dabei ist. Ganz selten schaffe ich es auch alleine. Es gibt Menschen, die machen sich ernsthaft darüber lustig, dass ich das Haus kaum verlasse. Ich lache dann immer mit. Aber eigentlich weine ich. Denn es tut mir weh und eigentlich wünsche ich mir, dass ICH diejenige bin, die die Angst beherrscht und nicht umgekehrt.

Ihr müsst euch quasi vorstellen, wenn ich rausgehe. In einen Laden. An der Kasse stehe und hinter mir eine Schlange. Die Menschen kommen immer näher. Die Kassiererin zieht die Ware zügig übers Band und ich komme nicht schnell genug hinterher. In mir spannt sich alles an. Meinetwegen dauert alles länger und die Menschen sind meinetwegen bestimmt genervt. Eigentlich würde ich noch gerne meine Punktekarte abgeben, aber damit würde es vielleicht noch länger dauern, also lasse ich es einfach sein. Ich muss das Alles eh noch in die Taschen packen, wobei ich womöglich dann auch noch beobachtet werde und ich habe eh schon den Verkehr aufgehalten und eigentlich will ich nur noch schnell nach Hause. Es wird sowieso wieder ein Akt die scheiß Tasche zu tragen. Mir tun dann wieder die Hände weh und ich muss alles bis ins zweite Obergeschoss schleppen, wonach mir dann auch noch der Rücken schmerzen wird. Hoffentlich sieht mich dabei niemand, die denken sich dann wahrscheinlich auch, wäre sie nicht so fett, wäre es alles einfacher ...

Völlig normale Gedanken. Für mich. Jedes Mal.

Meine Kinder wohnen seit Jahren in einer Unterbringung vom Jugendamt. Eigentlich, seitdem mein Mann arbeitet. Denn ich alleine schaffe es nicht, mich 100 % um die Kinder zu kümmern. Und dabei geht es um Termine. Arzt Termine zum Beispiel. Ich schaffe es ja nicht einmal, mich um meine eigene Gesundheit zu kümmern, denn es ist oft eine irre Überwindung, überhaupt in den Bus zu steigen. Wenn jemand dabei ist, ist es überhaupt kein Thema, aber nicht alleine. Kann ich nicht.
Die Angst ist zu groß, dass der Bus voll sein könnte und sich dann jemand neben mich setzt. Platzangst. Wenn dann darin noch kleine Kinder oder Teenager sind, ist bei mir ganz vorbei. Ich kann Kindergeschrei nicht ertragen. Ich weiß nicht warum, aber sobald ein Kind (oder Baby) schreit, dreht bei mir im Kopf alles durch. Ähnlich, aber nicht ganz so schlimm, ist es, wenn es zum Beispiel bei einem Arzt auf mich zukommen würde und mich erwartungsvoll anguckt. Und die Mutter dann wahrscheinlich auch. Was soll ich tun? Der Gedanke bzw., die Vorstellung daran, alleine jetzt beim Schreiben, macht mich schier wahnsinnig.
Teenager sind fast genau so schlimm. Ich habe ständig Angst vor ihnen. Und ich kann absolut nicht erklären, warum es für mich so unerträglich ist, in deren Nähe zu sein. Ich meide deren Blicke und versuche immer so schnell es geht von ihnen weg zu kommen. Im Bus immer etwas schwierig.

Meine Wohnung ist somit mein sicherer Hafen. Ich kann mir aussuchen, wer hier hineinkommt und wer nicht. Ich gehe auch nicht wirklich zu Veranstaltungen oder Geburtstage oder ähnliches. Es tut mir immer leid um das Geburtstagskind, aber ich schaffe es nicht mit mehreren Menschen zusammen zu sein, die ich alle einfach nicht kenne. Dann quälen mich wieder und wieder und wieder Gedanken, was andere über mich denken.
Ob sie überhaupt etwas über mich denken, ist eigentlich scheißegal, aber sie könnten es tun und das verunsichert mich.

Ist alles ganz schön verrückt und schwer bis gar nicht vorstellbar, oder?
Aber für mich ist das Ganze völlig normal und ich lebe seit vielen Jahren damit.

Ich habe keinen Therapieplatz und keinen Psychologen. Weil ich entweder überall abgelehnt werde, alles voll ist oder weil ich die Fahrt nicht auf mich nehmen kann.
Als ich damals stationär untergebracht war, haben sie mir eine Trauma Therapie oder Reha empfohlen. Reha müsste ich aber wieder stationär gehen, womit ich eigentlich kein Problem hätte und es auch irgendwo gerne möchte, aber ich muss dort mit dem Bus hin. Alleine.
Und ich habe ehrlich gesagt Angst, mich dort überhaupt anzumelden. Denn als ich letztes Jahr dort war, verpasste ich den Anruf, weil ich vergessen hatte, denen meine aktuelle Telefonnummer zu geben. Das ist mir verdammt unangenehm und ich schaffe es nicht, mich alleine zu stellen und zu erklären.

Ein Rattenschwanz. Ich würde alles, was für mich möglich ist, tun, um dort wieder raus zu kommen.
Aber ich schaffe das nicht alleine.
Ich brauche Hilfe.

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